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Tatort: Arztpraxis

Missbrauch in Arztpraxen

Aufruf an Euch Frauen

Meldet Euch bitte!

In meinem Blog-Artikel Ein Fall von ärztlicher Fehlbehandlung, der mir den Atem raubt habe ich vor einer Woche über die Verurteilung eines Bamberger Chefarztes geschrieben, der von 2008 bis 2014 elf Frauen narkotisiert und missbraucht hat. Jedenfalls ist dies die Anzahl der Frauen, von denen die Öffentlichkeit durch ihre Teilnahme am Gerichtsprozess und ihre  - auf eine Initial-Anzeige eines Opfers - folgenden Strafanzeigen weiß.

 

Von wie vielen Frauen, die diesem Chirurgen zum Opfer fielen, wissen wir nichts und werden wir auch nie erfahren?

 

Es ist anzunehmen, dass die Dunkelziffer solcher Missbrauchsfälle von Patientinnen durch Ärzte um ein Vielfaches höher sein dürfte, als die Öffentlichkeit auch nur erahnen kann. Denn es scheint die Regel zu sein, dass den Strafanzeigen gegen Mediziner durch unsere Staatsanwälte nur sehr nachlässig nachgegangen wird, dass eine Vielzahl von Strafanzeigen wegen Missbrauchs, Vergewaltigung oder Körperverletzung durch einen Mediziner vorzeitig eingestellt werden. Ohne Anhörung wichtiger Zeugen, ohne die Aussagen des betreffenden Arztes infrage zu stellen - bei gleichzeitiger Bewertung der Aussagen der Frauen als unglaubwürdig oder vernachlässigbar. Ohne oder nur mit teilweiser und zögerlicher Recherche und ohne eine Beschlagnahmung wichtigen Beweismaterials ... Und so weiter, und so fort ...

 

Auch die wiederholten Fälle des Bamberger, vormals sehr anerkannten, Chirurgen -  er war Chefarzt des dortigen Krankenhauses - kamen nur durch einen "dummen Zufall" vor Gericht. Er hatte nämlich übersehen, dass der Vater  seines letzten Frauen-Opfers/Patientin ein Arzt war. So dass er es bei dieser Patientin mit einer Person zu tun bekam, die nicht nur genügend medizinisches Vorwissen hatte, um ihre Verdachtsmomente über seine vorherige Narkotisierung ernst zu nehmen, sondern sie mithilfe ihres Vaters auch gleich untersuchen, und aufklären lassen konnte.

 

In wie vielen Fällen Frauen so einen Missbrauch eines Mediziners erlebt haben - darüber möchte ich mir jetzt ein genaueres Bild verschaffen. Deshalb möchte ich Euch bitten, Euch bei mir zu melden, wenn Ihr meint, von einem solchen Übergriff eines Arztes betroffen zu sein (über die Kommentarmöglichkeit unter diesem Artikel oder über die  Kontakt-Möglichkeit auf dieser Webseite). 

 

Zunächst einmal geht es mir darum, einen Eindruck zu bekommen und Zahlen zu sammeln. So könnt Ihr mir also lediglich mitteilen, dass Ihr betroffen seid. Oder Ihr schreibt mir, wenn es Euch möglich ist, bitte in kurzen Stichworten dazu, was Euch passiert ist und vielleicht noch in welcher Stadt. Wenn Ihr hierzu nicht die Kraft findet, schreibt einfach nur, dass Euch so etwas auch passiert ist, dann sammle ich die Opfer-Zahl. Bitte gebt unbedingt gleichzeitig an, ob Ihr eventuell damit einverstanden wäret, wenn ich Auszüge aus Eurer Geschichte anonymisiert in diesem Blog veröffentliche. Selbstverständlich behandle ich jede Eurer Mails, die unverzüglich an mich weitergeleitet werden, streng vertraulich! 

 

Ich möchte, dass wir vielleicht eine Gemeinschaft bilden können. Keine der Frauen, der so etwas passiert ist, soll sich länger mit dem Erlebten allein fühlen. Aber vielleicht können wir dann der Öffentlichkeit verständlich machen, dass es hier nicht um ein Bagatell-Thema geht. Und auf lange Sicht sogar einen Stein ins Rollen bringen, der eine langsame Verschiebung der Bewertung und des Umgangs mit diesen Missbrauchsfällen durch Mediziner einleitet.

 

Wie Ihr auf meiner Webseite und in meinem Buch erfahren könnt, bin ich selbst Opfer einer solche "ärztlichen Fehlbehandlung" geworden. Ich meine also zu wissen, wie frau sich im Anschluss fühlt. Auch in meinem Fall ließ die Staatsanwaltschaft, und sogar - nach meinem Einspruch - die Generalstaatsanwaltschaft meine Strafanzeige wegen Körperverletzung rasch einstellen. Man zog noch einen mit dem Arzt befreundeten Gutachter hinzu, der natürlich ein Gutachten verfasste, in dem er sich bemühte, darzustellen, wie hervorragend ich operiert worden sei - ohne Diagnose, ohne Aufklärung und ohne meine Unterschrift, versteht sich. Die Ungereimtheiten in seinen Aussagen wurden selbstverständlich von der Staatsanwaltschaft - und sogar später vom Zivilgericht - anerkannt und begründeten mit dass der betreffende Chirurg für seine Tat, seinen Übergriff auf mich, nie recht belangt wurde. Zur der von mir fehlenden Unterschrift meiner Einwilligung in diese ärztliche "Behandlung" wurde die These von meiner sogenannten "hypothetischen Einwilligung" vertreten, von der man bei dem Eingriff auszugehen hätte ...

 

Genau hier findet sich eine der Parallelen zu dem Kinofilm "Für meine Tochter" über den deutsch-französischen Fall eines Missbrauchs durch einen deutschen Arzt. Es ist die Geschichte der vierzehnjährigen Kalinka Bamberski, die sogar zu Verwicklungen zwischen der deutschen und der französischen Regierung führte. Denn, der Vater des Mädchens stellte Strafanzeige bei einer deutschen Staatsanwaltschaft, da seine Tochter von ihrem deutschen Stiefvater in Lindau am Bodensee missbraucht und umgebracht worden war.

 

Neunundzwanzig Jahre lang versuchte der französische Buchhalter André Bamberski vergeblich, den Arzt Dr. Krombach vor Gericht zu bringen, der seine Tochter missbraucht und ihr anschließend eine tödliche Spritze verabreicht hatte.  Die deutschen Staatsanwälte ließen sofort alle Argumente gelten, die Dr. Krombach vorbrachte, und waren sie auch noch so fragwürdig. So behauptete der Arzt zum Beispiel, dass Kalinka, ein gesundes und sportliches Mädchen, wohl an einem Sonnenstich gestorben sei. Unverzüglich wurde dies als Todesursache in ihrer Akte vermerkt.

 

Eine Feingewebsuntersuchung wurde nicht angeordnet. Im Obduktionsbericht findet sich die Angabe einer blutigen Wunde im Genitalbereich. Dies fand keine weitere Beachtung. Ob sich eventuell Sperma oder andere Körperflüssigkeiten finden ließen, wurde ebenfalls nicht untersucht oder nicht festgehalten. Nur fünf Tage auf den Tod folgend wird seitens der deutschen Staatsanwaltschaftt die Einäscherung von Kalinkas Leiche angeordnet.  

 

Auch hier ist die Aufdeckung des Missbrauchs und des Mordes nur einem zufälligen Umstand zu verdanken. Der Vater, André Bamberski, stand zu dieser Zeit stark unter Schock. Wäre er nicht so streng katholisch, hätte er sich wohl kaum gegen diesen Beschluss zur Wehr gesetzt. So aber schaffte er es, die Überreste seiner gestorbenen Tochter nach Frankreich bringen und dort bestatten zu lassen. 

 

Nur langsam dämmert dem Vater Bamberski in seiner Trauer, dass hier etwas nicht  in Ordnung ist. Verzweifelt lässt er die Überreste seiner Tochter noch einmal obduzieren, ihre Leiche wenig nach der Bestattung auf dem Friedhof noch einmal aus dem französischen Grab hervorholen. Hier wird bei der Obduktion des Mädchens festgestellt, dass seine Geschlechtsteile fehlen. Sollten diese vorzeitig verwest sein? Schneller als der übrigen Körper? Wieso?Man kann die Ursache nicht aufklären, es bleibt merkwürdig ...

 

Und dann folgten jahrzehntelangen Versuche des Vaters, den Arzt vor ein deutsches Gericht zu bringen. Nur einen Monat auf den Tod seiner Tochter folgend, hatte die Staatsanwaltschaft in Memmingen das Verfahren gegen den Arzt Dr. Krombach einstellen lassen. Immer wieder, neunundzwanzig Jahre lang stieß der Vater in der Folge nur gegen Mauern, selbst die prominentesten Anwälte konnten da nichts bewegen. Da Kalinka ein französisches Mädchen war, konnte ihr Vater allerdings erreichen, dass Dr. Krombach in Abwesenheit von einem französischen Gericht zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Aber, damit dieses Urteil vollstreckt werden könnte, müsste er ja erstmal nach Frankreich kommen.

 

Und dies sollte weitere vierzehn Jahre in Anspruch nehmen. Um die Geschichte hier abzukürzen: Obwohl Dr. Krombach inzwischen von mehreren jungen Patientinnen des Missbrauchs in seiner Praxis beschuldigt worden war, weigerte sich das deutsche Außenministerium und die deutsche Regierung, ihn an Frankreich auszuliefern. Galt er doch hier im Fall Kalinka als unschuldig! In Deutschland wurde der Fall Kalinka nicht erneut aufgerollt, und Dr. Krombach wegen dieser anschließenden Missbrauchsfälle in seiner Praxis lediglich zu einer Bewährungsstrafe und zum Entzug seiner ärztlichen Zulassung verurteilt.  (1997 wurde er in Kempten wegen Vergewaltigung einer unter Narkoseeinwirkung stehenden sechzehnjährigen Patientin, begangen in seiner Praxis, zu zwei Jahren und vier Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, so dass er vorzeitig entlassen wurde. Zudem verlor er seine Zulassung als Arzt. Doch trotz fehlender Zulassung gelang es ihm, weiter als Arzt zu arbeiten. Es heißt, dass er hierdurch in einem Zeitraum von zehn Jahren etwa 300.000,-  Euro eingenommen hätte.)

 

Da der deutsche Staat sich weigerte, den in Frankreich verurteilten Arzt dorthin auszuliefern, griff der trauernde Vater schließlich 2009, siebenundzwanzig Jahre nach dem Mord an seiner Tochter,  zum letzten Mittel. Er ließ den Arzt durch Kidnapper entführen und in der Nacht vor einem französischen Gericht in Mulhouse ablegen. Am 22. Oktober 2011 wurde der deutsche Arzt Dieter Krombach in Frankreich zu fünfzehn Jahren Haft wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt. Laut Darstellung der dortigen Staatsanwaltschaft soll Krombach das Mädchen mit einem Schlafmittel betäubt haben, um es zu vergewaltigen. Nachdem der Arzt über seinen Anwalt Berufung eingelegt hatte und weiterhin seine Unschuld beteuerte, begann die Berufungsverhandlung am 27. November 2012. Das Urteil wurde jedoch am 20. Dezember 2012 bestätigt. Seither befindet sich Dr. Krombach in Frankreich im Gefängnis.

 

Ich habe den Fall Bamberski über Jahre verfolgt, weil ich in ihm Elemente erkannte, die auch meinen Fall kennzeichnen. Ungereimtheiten, denen die Staatsanwaltschaft nicht nachgegangen ist. Und, genau wie bei mir, wurde zur Begründung der Beilegung der Strafanzeige wegen Körperverletzung und zur Einstellung der weiteren Ermittlungen behauptet, es sei von einer "hypothetischen Zustimmung" des Mädchens in die Verabreichung der tödlichen Spritze durch den Arzt, ihren Stiefvater Dr. Krombach, auszugehen ... ???  - Was ist mit unserer deutschen Strafverfolgung im Falle von Medizinern los? frage ich mich.

 

Wenn Ihr Euch einen Eindruck von der Geschichte der Kalinka Bamberski machen möchtet, schaut Euch den Kinofilm an. Ich kenne den Fall, hatte aber bislang noch nicht die Gelegenheit, mir den Spielfilm anzusehen. Das werde ich sobald wie möglich tun. Außerdem hänge ich Euch zwei weitere Links von einer Dokumentation der Redaktion "Die Story" des WDR an.

 

Bitte schreibt mir und gebt diesen Aufruf weiter!

Denn häufig ahnen wir gar nichts davon, dass vielleicht auch jemand in unserem Umfeld betroffen sein könnte. Teilt diesen Artikel auch bitte in den sozialen Medien, damit es sich herum spricht und die Frauen erreicht, die sich melden möchten. DANKE!

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Nixi Nix (Donnerstag, 10 November 2016 06:35)

    Hallo liebe Johanna,

    Arztübergriff - Anzeige trotz Opferanwältin nicht erfolgreich trotz offenkundiger Beweise..

    In meinem Fall - Gutachter der DRV verlangte Ablegen des BH´s und untersuchte die Brust - hätte dann gern auch noch den Slip ausziehen lassen..
    Er erwähnte die Beschaffenheit der Brust sogar im Rentengutachten...

    Medizinische Indikation war nicht gegeben.... es ging ja um Arbeitsfähigkeit - ich arbeite nicht mit der Brust!

    Zudem habe ich eine "Trauma-Diagnose" seit der Pfusch OP - traumatisierte Frauen sollten von männlichen Ärzten eigentlich gar nicht angefasst werden...

    in den Richtlinien für Rentengutachten steht - nix unnötiges, nix doppeltes (ich war zur Vorsorge - also Brustuntersuchung war aktuell!) und vor allem nix was unzumutbar ist oder dem Patienten schadet...

    der Staatsanwalt nahm eine medizinische Indikation als gegeben hin ohne dass dieser perverse Arzt darlegen musste worin diese Indikation besteht..

    Die Opferanwältin meinte - es sei für diese Perverslinge typisch, dass solche Übergriffe geschehen wenn (wie bei mir) der Mann dabei ist - das gibt denen noch einen Kick..
    Denn auch mein Mann "ordnete" sich der Autorität des Arztes unter und wagte sich genausowenig zu wehren...

    Bisher fand ich niemanden der sich für eine Öffentlichmachung interessiert

    Liebe Grüße

    Anne (facebook = Nixi Nix)